BIOMEDIZINISCHE LEBENSPLANUNG FÜR DAS ALTERN. WERTE ZWISCHEN INDIVIDUELLER ETHISCHER REFLEXION UND GESELLSCHAFTLICHER NORMIERUNG

PIs: Silke Schicktanz (Göttingen) und Frank Adloff (Erlangen-Nürnberg)

Laufzeit: Dezember 2010 - Februar 2014

 

Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

 

Weitere wissenschaftliche Mitarbeiter:

Dr. Kai Brauer (Erlangen), Larissa Pfaller, M.A. (Erlangen), Dr. Mark Schweda (Göttingen), Lisa Frebel, M.A. (Göttingen)

 

Die Medizin ist längst zu einem zentralen Bestandteil der menschlichen Lebensplanung geworden. Insbesondere die zweite Lebenshälfte wird zu einer Projektionsfläche entwerfenden und planenden Handelns mit Hilfe der verschiedensten medizinischen Optionen. Dies betrifft keineswegs nur die so genannte "Lifestyle Medizin" (sog. Anti-Aging), die der Erfüllung individueller Präferenzen dient. Neue diagnostische, therapeutische oder präventive Maßnahmen unterstützen allgemein die Idee eines selbstbestimmten und umsichtig zu gestaltenden Alterns. Dies betrifft etwa auch die Gesundheitsprävention, um Alterskrankheiten zu vorzubeugen, und die vorausschauende Auseinandersetzung mit medizinischen Entscheidungen am Lebensende (wie Patientenverfügungen). Diese neuen Möglichkeiten einer eigenverantwortlichen Gestaltung des Alterns und auch des Sterbens eröffnen dem Einzelnen beispiellose Chancen, stellen ihn aber auch vor neuartige Herausforderungen und Risiken. Die Ambivalenz und Komplexität dieser Entwicklungen ist noch weitgehend unverstanden. Insbesondere fehlen Einsichten zu konkreten Motivationen, moralischen Einstellungen und Erfahrungen der Individuen, die Wünsche nach und Ansprüche auf medizinische Interventionen für Altern und Sterben formulieren.

Hier setzt das interdisziplinäre Verbundprojekt Biomedizinische Lebensplanung für das Altern an. Sein Ziel ist es, die wachsende Bedeutung der modernen Biomedizin für die Lebensplanung im Blick auf Altern und Sterben zu analysieren und zu bewerten und auf dieser Grundlage praktische Orientierungen zu gewinnen. Zu diesem Zwecke werden exemplarisch zum einen die präventive Gesundheitsvorsorge (in einem erweiterten Verständnis von Anti-Aging), zum anderen die antizipierende Auseinandersetzung mit Entscheidungen am Lebensende (z.B. Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten) in den Blick genommen. Dabei werden zwei sich einander ergänzende Forschungsperspektiven verfolgt: Die erste bezieht sich auf die Rolle der Medizin für das Altern: Welchen Einfluss übt die moderne Medizin über Prozesse sozialer und kultureller Normierung auf die Wahrnehmung, Bewertung und Planung des Alterns aus? Die zweite Forschungsperspektive fragt umgekehrt: Gibt es einen Zusammenhang zwischen altersspezifischen Wahrnehmungen und Beurteilungen und den Einstellungen zum und Entscheidungen über den Einsatz medizinischer Maßnahmen? Welche soziokulturell vermittelten alternsbezogenen Selbst- und Wertvorstellungen sind dabei jeweils impliziert? Zusammenfassend ergeben sich für das Verbundprojekt folgende leitenden Forschungsziele:

  • Identifikation von Selbst- und Wertvorstellungen bei Laien und Betroffenen zum Thema Lebensalter im Kontext der Biomedizin mit qualitativ empirischen Untersuchungsdesigns
  • Soziologische Analyse: Rekonstruktion zentraler Deutungsmuster biomedizinischer Techniken und Praktiken
  • Ethische Analyse der empirisch erhobenen Vorstellungen im Hinblick auf zentrale ethische Konzepte wie Gutes Leben, Verantwortung, und Selbstbestimmung

Die Verfolgung dieser Zielsetzungen erfolgt in der engen interdisziplinären Verzahnung eines sozialwissenschaftlichen und eines bioethischen Teilprojektes. Im soziologischen Teilprojekt (PI: Frank Adloff, Erlangen) werden Lebenspläne und Praktiken der Lebensführung im Hinblick auf Möglichkeiten von Anti-Aging Medizin und Patientenverfügung mit Mitteln qualitativer Sozialforschung (narrative Interviews, Gruppendiskussionen) exploriert und analysiert.. Darüber hinaus werden die institutionellen Rahmenbedingungen mittels Experteninterviews mit VertreterInnen maßgeblicher Institutionen im Gesundheitswesen sowie deren öffentliche Darstellungsformen (Webseiten, Fachtagungen, Kongresse) diskursanalytisch rekonstruiert. <ins></ins>Im bioethischen Teilprojekt (PI: Silke Schicktanz, Göttingen) werden die erhobenen Einstellungen im Blick auf drei zentrale bioethische Kategorien – a) Vorstellungen zum Guten Leben, b) Konzeptionen der Verantwortung und c) Verhältnis von Autonomie und Vulnerabilität – analysiert und kritisch reflektiert. Dazu werden mit Blick auf die Fachdebatte ethische Kategorien entwickelt, mit denen sich die empirisch erhobenen Vorstellungen analysieren lassen, und flexibel an das Material angepasst.

Über die Verknüpfung ethischer und sozialwissenschaftlicher Forschung in der Verbundstruktur hinaus wird durch die Kooperation mit Wissenschaftlern in den USA (Prof. Dr. Anita Silvers [Philosophie, San Francisco State University], Prof. Dr. Mary Rorty [Medizin, Stanford University Medical Center], Prof. Dr. Leslie Pickering Francis [Philosophie und Rechtswissenschaft, University of Utah], und Dr. Harry R. Moody [Director of Academic Affairs, AARP, Washington, DC.]) auch eine transnational vergleichende Perspektive eröffnet. Schließlich werden die Ergebnisse der ethischen Analyse in einer synoptisch vergleichenden Perspektive gebündelt und durch die methodologische Reflexion der Kombination deskriptiver und normativer Forschungen ergänzt. Die Verknüpfung der Teilprojekte soll zu wissenschaftlich und gesellschaftlich-politisch relevanten Ergebnissen führen, die dem Fachpublikum und der breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen sind und zur interdisziplinären und internationalen Vernetzung einschlägiger Forschungsaktivitäten und der Etablierung von Forschungsstrukturen beitragen.

Kontakt:

Mark Schweda (Göttingen) Mark.Schweda(at)medizin.uni-goettingen.de  

Tel.: 0551-399316

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